Sommer in St. Ives by Anne Sanders

Sommer in St. Ives by Anne Sanders

Autor:Anne Sanders
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Blanvalet Verlag


17

St. Ives, Winter 1962

Wann kommt sie an? Ist ihr Zimmer hergerichtet? Nora, Nelly – wo ist euer Bruder? Jemand soll die Öfen anheizen, das Mädchen wird erfrieren, sobald es einen Fuß in dieses Haus setzt.« Agatha Watson wischte sich die mehligen Hände an ihrer Schürze ab und seufzte. Es war schön, alle Kinder wieder im Haus zu haben – schön und auch anstrengend. Seit die Zwillinge in das kleine Appartement über dem Laden gezogen und sie mit Sam nur noch zu dritt im Haus waren, war es doch deutlich ruhiger geworden. An den Feiertagstrubel um zwei temperamentvolle Schwestern und deren stets zu Unsinn aufgelegten Bruder musste sie sich erst wieder gewöhnen.

Und dann gesellte sich ja in diesem Jahr noch eine weitere Person hinzu.

Man könnte meinen, dachte Agatha, während sie Kakao zum Mehl siebte, ich sei aufgeregter als mein Sohn. Dabei ist er derjenige, der nervös sein sollte. Die erste Freundin den Eltern vorstellen, das sollte selbst für einen Filou wie Sam eine ernstzunehmende Sache sein.

Die erste und die letzte Freundin, hatte Sam behauptet. Agatha schüttelte den Kopf. Sie kannte niemanden, der zielstrebiger war als ihr Sohn. Und sich seiner Sache so sicher. So, so sicher, dass das Mädchen Elvira aus Hamburg die Richtige für ihn war.

Agatha drehte sich in der Küche einmal im Kreis, auf der Suche nach Eiern. »Sam!«, rief sie. »Du musst noch zu Mr. Grayson, Tee besorgen. Wir kommen nicht über die Feiertage, wenn wir nicht …«

»Buh«, machte Sam. Er hatte sich von hinten an seine Mutter herangeschlichen und einen Arm um ihre Schulter gelegt.

»Lausbub«, schimpfte Agatha und klopfte Sam mit ihrem teigverschmierten Kochlöffel auf die Finger.

Sam lachte. »Alles wird gut werden, Mutter«, sagte er, während er die dunklen Spritzer von seiner Hand leckte, »Elvira ist nicht zum ersten Mal hier, du erinnerst dich?«

»Ich erinnere mich«, erwiderte seine Mutter streng, »auch daran, dass du gegen jede Regel verstoßen hast und nachts mit ihr durch den Ort geschlichen bist.«

»Was du überhaupt nicht wüsstest, hätte ich es dir nicht hinterher erzählt.«

»Ich bin nicht blind, Sam Watson.«

»Nein – oder vielleicht doch?« Er hielt ihr die Schachtel mit den Eiern hin, die seine Mutter ihm mit gespielter Strenge aus der Hand riss.

»Ich kann mich nicht mehr genau an sie erinnern«, gab Agatha zu, »aber ich denke, sie ist ein hübsches Mädchen, oder? Sehr helle Haare, beinahe wie die Schale einer Muschel. Und fast ebenso helle Augen.«

Sam nickte, während er sich auf die Arbeitsfläche hievte und einige der herumliegenden Nüsse in seinen Mund schob. »Ihre Lippen sind dafür ziemlich farbig«, sagte er kauend. »Rot wie eine Kirsche und fast genauso süß.«

Seine Mutter warf ihm einen Blick zu, und Sam wackelte mit den Augenbrauen.

»Ihr werdet nicht …«, begann sie, bevor sie die klebrige Masse mit noch mehr Elan herumwirbelte, »in diesem Haus werdet ihr nicht … Ich meine, du weißt, was ich meine, Sam Watson!«

Sam lachte. »Keine Ahnung«, sagte er, »ich habe leider keine Ahnung, wovon du sprichst.«

Eine Weile war nichts weiter zu hören als Agathas Kochlöffel, der den Teig durch die Backschüssel jagte.



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